HOCHBEHÄLTER Der 1905 gebaute Pfeddersheimer Wasserspeicher fasst 110 Kubikmeter
Artikel aus der Wormser Zeitung vom 9. Juli 2010
Wer die Georg-Scheu-Straße beim Schulmuseum nach Mörstadt hochfährt und am nördlichen Ende den markanten Hohlweg verlässt, der wegen der dort anno 1525 stattgefundenen Bauernschlacht im Volksmund auch „Bluthohl“ genannt wird, kann den direkt neben der Straße stehenden weißen Sandsteinbau nicht übersehen: den Pfeddersheimer Wasserhochbehälter, der 1905 erbaut und ein Jahr später in Betrieb genommen wurde.
Viertel des Tagesbedarfs decken
Damals wurde die althergebrachte Wasserversorgung mit Hilfe von Gemeinde- und Hausbrunnen auf den im Jahr 1904 neu gegründeten Wasser-Versorgungsverband des Seebach-Gebietes mit Sitz in Osthofen umgestellt. Der Zweikammer-Hochbehälter - so der Fachbegriff für den Bau nahe der Bluthohl - hatte vor 105 Jahren für maximal ein Viertel des Tageswasserbedarfs von 2 690 Einwohnern, 416 Stück Großvieh und 695 kleineren Tieren zu sorgen. Dieses Viertel des täglichen Bedarfs entsprach in jener Zeit einem Wasservorrat von 60 Kubikmetern, zu dem eine so genannte „Brandreserve“ von weiteren 50 Kubikmetern hinzukam, zusammen also 110 Kubikmeter. Den größeren Tageswasserbedarf von Dreiviertel oder weiteren 394 Kubikmeter musste der Haupthochbehälter in nordöstlicher Richtung nahe der Grenze zur Gemarkung Mörstadt sammeln.
Insgesamt war der damalige Tageswasserbedarf für Pfeddersheim von der Großherzoglichen Kulturinspektion in Mainz auf 504 Kubikmeter berechnet worden. Der Haupthochbehälter dient nach Erweiterung seiner Kapazitäten inzwischen der alleinigen Wasserversorgung für Pfeddersheim zusammen mit Mörstadt und Heppenheim, während der kleine Hochbehälter an der Mörstadter Straße still gelegt wurde.
Wasserversorgung als Kulturleistung
Dass die damalige Gründung der Wasserversorgungsanlagen als eine ganz besondere Kulturleistung angesehen wurde, sollte sich nach dem Willen der verantwortlichen Mainzer Kulturinspektion auch in den Bauten widerspiegeln. So zeigen vor allem die Wasser-Haupthochbehälter Anklänge an romanische Elemente wie Konsolen, Rundbögen und massive, wehrturmartige Brüstungen. Die kleineren Orts-Hochbehälter wie der an der Pfeddersheimer Bluthohl tragen nicht selten auf dem Rundbogen der Vorderseite kugelartige Zierelemente als oberen Abschluss. So wie der Pfeddersheimer Orts-Hochbehälter ist auch der von Abenheim gestaltet.
Im Allgemeinen ist jedoch eine Wiederholung der Bauformen selten, vielmehr sind die meisten dieser Bauten aus weißem Flonheimer Sandstein individuell gestaltet. Bewusst wurden steril wirkende Beton-Zweckbauten vermieden, um das Landschaftsbild nicht zu beeinträchtigen, wie in der Denkschrift der Großherzoglichen Kulturinspektion Mainz von 1906 hervorgehoben wurde.
Erdhügel typisch am Sammelbecken
In der Folgezeit wurden die meist an erhöhter Stelle erbauten Wasserreservoire zusätzlich mit landschaftsgerechten Baumgruppen umgeben. Aus Sicherheitsgründen folgten später Einzäunungen. Allen Hochbehältern ist dagegen der jeweils hinter der Frontfassade gegen Frost aufgebaute Erdhügel über dem Sammelbecken gleich.
Das „Wormser Tageblatt“ veröffentlichte am 28. Juli 1906 aus Anlass der Einweihung des Wasserwerks für das Seebach-Gebiet einschließlich einer Tages-Rundfahrt zu allen Wasserhochbehältern einen detaillierten Bericht. Dieser schloss wie folgt: „Möge nun das Werk, das einen wesentlichen Kulturfortschritt des Seebachgebietes, zumal in hygienischer Beziehung, bedeutet, alle gesetzten Erwartungen in reichem Maße erfüllen und seinen beträchtlichen Teil zum Wohle der beteiligten Gemeinden beitragen“.