Vorbemerkung

Bereits vor unserer Zeitrechnung existierten die ersten Mahlsteine als Handmühlen. Davor benutzten die Menschen Reibesteine und Mörser, um Getreidekörner zu zerkleinern und für die menschliche Nahrungsaufnahme zuzubereiten. Der bislang älteste Reibestein wurde bei archäologischen Ausgrabungen in Australien gefunden und aus dem Pleistozän datiert, also vor ca. 30.000 Jahren. Nachdem im Jahr 79 n. Chr. Pompeji durch den Ausbruch des Vesuvs zerstört worden war und später Ausgrabungen durchgeführt wurden, fand man einen weiter entwickelten Mühlenbetrieb mit einer durch Göpel angetriebenen Kegelmühle. Anno 546 n. Chr. verwendeten die Goten bei der Belagerung von Rom schon Schiffsmühlen, bei denen der Fluss (Tiber) die Mühlsteine über unterschlächtige Wasserräder antrieb. Spätestens seit dem Mittelalter war ein Mahlgang zur Zerkleinerung von Getreidekörnern üblich. Dabei wurde das Mahlgut zwischen zwei Mühlsteinen zerbrochen und zerrieben. Die Technik des Mühlenantriebs durch Wasser oder Wind wurde immer weiter verbessert. Der erste voll mechanisierte Betrieb war die Mühle von Oliver Evans, in dessen Mühle von 1785 am Redclay Creek in Delaware alle Verarbeitungsmaschinen und Fördermittel aufeinander abgestimmt waren.

Wasser- und Windmühlen gehören auch in Deutschland zu den ältesten und wichtigsten technischen Errungenschaften der Menschheit. In den gebirgigen Regionen von Süd- und Mitteldeutschland, etwa im Schwarzwald, waren die an den rauschenden Bächen gelegenen Wassermühlen aus dem Landschaftsbild nicht wegzudenken. In den Tiefebenen Norddeutschlands waren Windmühlen die weithin sichtbaren Wahrzeichen der Region. Nahezu 2000 Jahre lang war das Technikwunder Mühle die wichtigste Maschine der Menschheit. Demzufolge stand der Müllerberuf im hohen Kurs, die Müller waren meist wohlhabende Leute.

Mit dem Zeitalter der technischen Industrialisierung, vor allem der Einführung der Dampfmaschine um 1780, begann die allmähliche Verdrängung der Wasser- und Windmühlen. Die motorgetriebenen und damit wetterunabhängigen Industriemühlen verdrängten die historischen Mühlen, die nicht mehr konkurrenzfähig waren. Im Jahre 1957 erließ die Bundesregierung das Gesetz zur Stilllegung von Mühlen. Es betraf insbesondere die kleinen und mittleren Mühlen. Schon 1955 gab es ein Gesetz, wonach die Neuerrichtung von Mühlen verboten wurde. Es wurde gesetzlich geregelt, dass die Müller und Mühlenbesitzer eine staatliche Prämie unter der Auflage erhielten, dass sie 30 Jahre lang die stillgelegte Mühle nicht mehr betreiben durften. Zu der Prämie gab es eine Entschädigung, deren Höhe je nach der Kapazität der Mühle geregelt wurde. Im Durchschnitt wurden 9.000 DM für eine Tonne Tagesleistung als Abfindung gezahlt. Es gab Klagen gegen das Gesetz, aber das Bundesverfassungsgericht erklärte am 18. Dezember 1968 das Gesetz für verfassungskonform.

Zählte man in Deutschland im Jahr 1975 noch etwa 70.000 Getreidemühlen, gab es 1966 in der Bundesrepublik Deutschland nur noch etwa 6.400 Mühlen. Heute erfahren die historischen Mühlen eine neue Blütezeit. Vielerorts werden Mühlen saniert und wieder in Betrieb genommen. Es gibt sogar deutschlandweit den „Tag der Mühle“, der alljährlich am Pfingstmontag stattfindet.

Mühlen in Pfeddersheim

Entlang der etwa 40 Kilometer langen Pfrimm gab es einst 61 Mühlen, die meist an den Abzweigungen der Pfrimm, also an den Mühlbächen oder Mühlgräben betrieben wurden. In der Gemarkung Pfeddersheim gab es drei Mühlen

  • Die Obere Mühle (im historischen Ortsmittelpunkt Ecke Paternusstrasse/Mühlstraße)
  • Die Untere Mühle (im Bereich des früheren Bundeswehrdepots)
  • Die Wiesenmühle am Standort der Enzingerwerke.

Der Kurfürst von der Pfalz hatte ursprünglich die Mühlrechte inne. Im Wege von Pachtverträgen, die über das Oberamt Alzey abgeschlossen wurden, haben die jeweiligen Pächter den Mühlenbetrieb gegen Entrichtung von Pachtzinsen durchgeführt. Wegen geringer Rentabilität kam es zu häufigem Pächterwechsel.

Mühlgraben im Bereich der oberen Mühle

So sind für die Obere Mühle (erbaut im 14. Jahrhundert) folgende Pächter genannt:

  • 1545 Wendel Dietz
  • 1549 Velten Gauch von Alsenz
  • 1555 Niclaus Weber von Miltenberg
  • 1560 bis 1584 Martin Sersich
  • 1598 Michael Würthwein von Hochheim
  • 1633 Wolf Steinmetz

Die herrschaftliche Pacht betrug durchweg 50 Malter Korn, zusätzlich jährlich 5 Gulden Maßgeld für den Amthof und 1 Malter Korn Grundzins für die „Collectur“ (Gemeindeeinnehmerei).

 

Weitere Pächter/Nutzer der Oberen Mühle waren:

 

  • 1671 Niclos Rau (für den Betrag von 237 Gulden, wobei ihm 47 Gulden als eigener Anteil angerechnet wurde)
  • Ende des 17. Jdts. Johann Peter Waltz
  • 1700 Johannes Bauer
  • 1711 Jacob Schrohe
  • ab 1715 Geschwister Peter, Eberhard und Anna Margaretha Klein (für 1200 Gulden erworben). Sie brachten die Obere Mühle zur Blüte. So heißt es in einem Dokument: “durch treufleißge Arbeit miteinander, durch göttlich Segen und angewandte harte Arbeit, ersparet und keinswegs ererbet, gabs viel Gewinn.“
  • Die Söhne von Eberhard Klein, Balthasar und Friedrich Klein, führten den Mühlenbetrieb fort. Friedrich Klein erwarb die Neumühle in der Gemarkung Leiselheim und übergab sie 1779 an seinen Sohn Alexander Klein.
  • Um 1780 ging die Obere Mühle an die Familie Walter und
  • Unter Müllermeister Karl Gebhardt drehten sich die Mühlräder trotz Modernisierungsmaßnahmen in den späten 1960er Jahren zum letzten Mal.

 

Angetrieben wurde die Obere Mühle durch das Wasser der Pfrimm, welches westlich von Pfeddersheim in den Mühlgraben abgeleitet und durch den alten Ortskern von Pfeddersheim in offener Bauweise geführt wurde. Der Antrieb des Mühlrads geschah „unterschlächtig“. Die Mühle hatte zwei Mehl- und einen Ölgang; es wurde also nicht nur Mehl gemahlen, auch Öl gepresst.

Die Untere Mühle unterstand ebenfalls der Obrigkeit. In der Nähe war der Amthof und einst die Burg (heute Weingut Burghof). In alten Dokumenten heißt es „die untere Mühl hat drei Mehlgang und ist seit kurzem oberschlächtig umgeschaffen und hat nun 3 Mehl-, 1 Schäl- und 1 Oelgang nebest einer Hanfreibe.“

Die Untere Mühle war größer als die Obere Mühle. Jedenfalls wurde sie im 17. Jahrhundert steuerlich doppelt so hoch veranlagt als die Obere Mühle. Die Untere Mühle ist kurz nach 1900 durch einen Brand zerstört worden. Erhalten sind noch Portale, die in die östliche Stadtmauer integriert wurden. Der Mühlbach, der das oberschlächtige Mühlrad antrieb, floss östlich unter der Stadtmauer hindurch. Aus strategischen Gründen wurde dieser Durchfluss durch den darüber erbauten „Roten Turm“ gesichert. Unter dem Turm war ein massives Eisengitterrost zum Schutz gegen Eindringlinge eingebaut worden.

Eingangspforten der unteren Mühle (heute in der östlichen Stadtmauer)

Namen von Pächtern der Unteren Mühle konnten bislang nicht ermittelt werden.

Die Wiesen- oder auch Carlsmühle (Standort Enzingerwerke) ist jüngeren Datums gewesen. In der Bevölkerungsliste von 1825 wurde der Hinweis gefunden „…jene ausserhalb dem Orte, auch Wiesen- oder Carlsmühle genannt, hat 4 Mehl- 1 Oelgang und ist oberschlächtig…“. Im Jahre 1877 wurde bei dieser Mühle anstelle des oberschlächtigen Mühlrads eine Turbine installiert.

Einige Namen von Müllern dieser Wiesenmühle waren Johann Peter Müller (1844), Tobias Schiffer (einst Eigentümer des „Gefängnisses“ und Friedensgerichtsgebäudes gegenüber vom Rathaus) und Georg Adam Walter.

 

Nahe bei dieser Wiesenmühle musste 1844 der Holzsteg über die Pfrimm durch eine neue Brücke ersetzt werden, nachdem durch Hochwasser und Eisgang der alte Holzsteg zerstört worden war. Anno 1847 gab es Streitigkeiten, weil der „Eichpfahl“ und das Wehr zum Aufstauen des Pfrimmwassers nicht ordnungsgemäß errichtet worden war.

Der Mühlgraben wird verfüllt

Zum Mühlwesen in Pfeddersheim heißt es im „Stadtbuch von Pfeddersheim“ (1600):

„Von mülleren innsgemein:

Es sollen die müller allezeit mit korn und meel in die geordnete meel-waag faren, einem jeglichen burger, inwohnern und anderen sein frucht getreulich ohne alles betrug oder vervorteilung ihrer bestimmten ordtnung nach malen und einem jeden an gerechten meel und kleien sein gewicht, wie sich’s gebürt, und jeden jars die probation ausweist und vermag, geben, heimfüeren und liefern, alles bei hoher straf, und gebürt der stadt von jedem malter korn ein pfennig zu wieg geldt.“

An anderer Stelle steht:

„Von den mülen:

Beide mülen dieser stadt stehen Churpfaltz allein zu und seind ausserhalb ihres jährlichen pacht und mast-geldts so ein amtmann allhie jährlich einzeucht, von fron halber niemand ferner, den der stadt verbunden. Offenbar ging es hierbei um die beiden im Ort gelegenen Mühlen (Obere und Untere Mühle), die schon 1600 existierten. Dagegen ist von der Wiesenmühle keine Rede.

Exakte Daten, wann in Pfeddersheim die Mühlen errichtet wurden, sind bisher unbekannt geblieben. Mühlen werden jedoch für das frühe 14. Jahrhundert angenommen. Im Standardwerk der Siedlungs- und Flurnamen des Stadt- und Landkreises von Hans Ramge (1979) ist für das Jahr 1316 der Ortsname/Flurname „in mulwege“ nachgewiesen, 1466 folgt die Bezeichnung „off molewege“ und 1517 „im miellweg“. Dies waren offensichtlich Namen von Wegen, die zur Mühle führten.