- von der Freien Reichsstadt zum Stadtteil -

Erstmals ist Pfeddersheim urkundlich am 25. Mai 754 als "Paterno Villa" erwähnt: Bischof Chrodegang von Metz schenkte nach dieser alten Urkunde der nahe von Metz gelegenen Abtei Gorze sowohl die Kirche in Pfeddersheim als auch den Weinzehnten. Pfeddersheim hat also schon vor dieser urkundlichen Ersterwähnung existiert. Aus zwei späteren Urkunden ist die Erhebung zur Stadt nachweisbar: Am 21. Januar 1304 wird der Ort noch als "ville Pederensheim" (Dorf Pfeddersheim) erwähnt und am 5. November 1308 ist erstmals die Rede von "sitam in opido Peddersheim" (gelegen in der Stadt Pfeddersheim). Wir wissen, dass König Albrecht von Österreich die Stadterhebung vorgenommen hat. Da dieser am 1. Mai 1308 ermordet wurde, muss die Erhebung zur Stadt also vorher erfolgt sein. Die Stadterhebungsurkunde ist leider verloren gegangen, so dass das exakte Datum der Stadtrechtsverleihung ins Dunkel der Geschichte gehüllt ist. Deshalb einigte man sich darauf, dass Pfeddersheim 1304 die Stadtrechte erhalten hat und somit 1954 das 1200. Ortsjubiläum sowie die 600jährigen Stadtrechte gefeiert werden konnten.

Freie Reichsstadt

Pfeddersheim wurde durch die Verleihung mit königlichem Stadtrecht zu einer "Freien Reichsstadt", die unmittelbar dem Reich unterstand und über Privilegien verfügte, so beispielsweise ab 1379 über ein Marktprivileg. Aus jener Zeit stammt auch das älteste Stadtsiegel mit dem thronenden Kaiser, der Zepter und Reichsapfel in den Händen hält. Die Inschrift rund um das Abbild des Kaisers "Sigillum Civitatis in Pedersheim" verweist auf das Siegel der Bürgerschaft in Pfeddersheim. Aus diesem Siegelbild ist 1597 das Stadtwappen entstanden: An die Stelle der Kaiserabbildung trat der Reichsadler in Schwarz auf goldenem Grund und dazu der Buchstabe "P" für Pfeddersheim.

Verpfändungen

Die reichsunmittelbare freie Zeit von Pfeddersheim dauerte nur wenige Jahre. Bereits ab 1317 trat wegen Finanznöten des Reiches die erste Verpfändung an die Herren von Falkenstein ein, deren Erben bis 1420 die Pfandherrschaft innehatten. Damit gab der König sein Reichsgut an seine Gläubiger ab. Pfeddersheim blieb zwar im juristischen Sinne Reichsstadt, aber seine reichsunmittelbaren Freiheiten büßte es während der Pfandherrschaft ein. So blieb es auch während der weiteren Verpfändungen von Pfeddersheim an verschiedene Gläubiger als Pfandherren, so auch an die Herren von Virneburg, von Sayn, von Isenburg und von Solms. Nach dieser "Splitter - Pfandherrschaft” folgte die so genannte "Mainzische Periode", indem Pfeddersheim als Pfandmasse in einer Hand ab 1451 an die Erzbischöfe von Mainz überging, die bis 1465 diesen Pfandbesitz behielten. Kurmainz erfreute sich des Besitzes von Pfeddersheim jedoch nicht lange. Der Konkurrenzkampf der beiden großen Mächte am Rhein - nämlich Kurmainz einerseits und Kurpfalz andererseits - brach unter Friedrich dem Siegreichen von der Pfalz offen aus. Der Pfalzgraf siegte in der entscheidenden Schlacht 1460 vor den Toren von Pfeddersheim über den Mainzer Erzbischof Diether von Isenburg. Pfeddersheim wurde daraufhin von Kurfürst Friedrich von der Pfalz eingenommen. Der Mainzer Erzbischof bat um Frieden, der ihm gewährt wurde. Doch er musste Pfeddersheim für eine Summe von 9000 Gulden als Pfand an die Kurpfalz abtreten. So blieb zwar Pfeddersheim noch im Pfandbesitz von Kurmainz, aber nur noch wenige Jahre.

Von Kurmainz zur Kurpfalz

Nach diplomatischen Verhandlungen zwischen Kurmainz und Kurpfalz ging Pfeddersheim schließlich am 27. Mai 1465 - vor bald 550 Jahren - an die Kurpfalz über. In alten Dokumenten heißt es hierzu, dass der Mainzer Erzbischof Adolf von Nassau mit Einwilligung des Mainzer Domkapitels die Stadt Pfeddersheim "der Not wegen" für 7848 Gulden an den Kurfürsten von der Pfalz, Friedrich I., verschrieb.

Mit dem Übergang von Kurmainz nach Kurpfalz wurde vor 550 Jahren eine Entscheidung getroffen, deren Auswirkungen noch heute unverkennbar sind. Als kurpfälzische Untertanen nahmen nämlich die Pfeddersheimer Bürger später den reformierten Glauben an, während Pfeddersheim als kurmainzische Stadt katholisch geblieben wäre. Dieser Unterschied in Fragen des Glaubens war auch entscheidend für viele neu zugezogene Familien; denn bis zum Ende des 30-jährigen Krieges wurde verlangt, dass neue Bürger die Religion der Stadt besaßen oder annahmen. Es galt der althergebrachte Grundsatz: "Cuius regio, eius religio" (Wessen Gebiet, dessen Religion), der zwar erst später im Augsburger Religionsfrieden und im Westfälischen Frieden als Rechtsprinzip galt, aber schon im Altertum vorgeprägt war.

Kurpfälzische Periode

Die kurpfälzische Periode mit Pfeddersheim als Pfandobjekt dauerte von 1465 bis zum Jahre 1648, also 183 Jahre lang. Während dieser Periode kam es 1525 zu den schwerwiegenden Ereignissen des Bauernkriegs, der in der Endphase vor den Toren von Pfeddersheim seinen blutigen Abschluss fand. Unter kurpfälzischer Herrschaft verlor Pfeddersheim zunehmend seine Verbindung zum Reich. In gleichem Maße nahm der Einfluss der Kurpfalz im Pfandobjekt Pfeddersheim immer mehr zu. Als 1648 die Reichspfandherrschaften generell aufgehoben wurden, trat der Pfandinhaber - also die Kurpfalz - mehr und mehr an die Stelle des Reichsoberhauptes. Von den Bürgern der Stadt Pfeddersheim wurde die Kurpfalz mit dem Kurfürsten als neuer Herr anerkannt. Pfeddersheim war somit seit 1648 von der ehemaligen Reichsstadt zur kurpfälzischen Landstadt übergegangen, was durch die Festlegungen des Westfälischen Friedens bestätigt wurde. Damit ging die vorangegangene Bedeutung von Pfeddersheim als Reichsstadt deutlich zurück. Die kurpfälzische Periode dauerte bis 1797.

Franzosenzeit - Kantonstadt Pfeddersheim

Im Sommer 1793 nahmen die preußischen und kaiserlichen Truppen im Kampf gegen das republikanische Frankreich Mainz ein. Die sodann 1794 begonnenen Verhandlungen zwischen Preußen und Frankreich führten zum Ergebnis, dass den Franzosen das linke Rheinufer zuerkannt wurde. Im Zuge dieser Entwicklung kam das Ende der Kurpfalz im Jahre 1797 und Frankreichs Herrschaft begann im Alzey-Wormser Raum. Es kam zu einer Neugliederung des französischen Hoheitsgebietes in "Departements - Arrondissements - und Kantone". Unser Gebiet wurde zum Departement Donnersberg (Mont Tonnerre) geschlagen, das mit den Unterpräfekturen Mainz, Speyer, Kaiserslautern und Zweibrücken 37 Kantone umfasste. Dazu zählte auch der Kanton Pfeddersheim mit 25 benachbarten Gemeinden: Bermersheim, Dalsheim, Gundheim, Gundersheim, Heppenheim, Herrnsheim, Hochheim, Hohensülzen, Horchheim, Kriegsheim, Leiselheim, Mölsheim, Mörstadt, Monsheim, Neuhausen, Nieder-Flörsheim, Niedersülzen, Ober-Flörsheim, Offstein, Pfeddersheim, Pfiffligheim, Wachenheim, Weinsheim, Wiesoppenheim und Zell-Niefernheim. Diese Gemeinden zählten im Jahr 1798 insgesamt 13.066 Einwohner mit dem Sitz der Kantonstadt Pfeddersheim. Über die Franzosenzeit ist viel geschrieben worden, zum Teil geprägt von der Gegnerschaft zu Frankreich, wie sie sich vor allem nach 1870 in Deutschland oftmals geradezu hysterisch bemerkbar machte. Man kann mit Gewissheit sagen, dass die Landbevölkerung der neuen Herrschaft eher skeptisch gegenüberstand. Andere, und hierbei insbesondere Vertreter der "gebildeten Stände", traten enthusiastisch für die Ideen der Französischen Revolution "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" ein. Sie werden es wohl auch gewesen sein, die mit ihren Freunden in den Gemeinden unseres Raumes die Freiheitsbäume pflanzten und den Umschwung feierten, so auch in Pfeddersheim am 3. Februar 1798. Zuvor hatten 109 Bürger einen Aufruf für die Pflanzung des Freiheitsbaumes unterzeichnet, angeführt von Kommissär Karl Horthal und Kantonsvorsitzendem David Möllinger sowie dem reformierten Pfarrer Rödelsberger.

Der Zeitabschnitt der französischen Regierungszeit mit Pfeddersheim als Kantonstadt und einem stattlichen Verwaltungsbereich über 25 Nachbargemeinden hinweg war nicht das einzige Kapitel deutsch-französischer Geschichte. Bereits rund hundert Jahre vorher hatte ein Ereignis stattgefunden, welches in der über 1250-jährigen Geschichte der ehemals freien Reichsstadt Pfeddersheim am folgenschwersten für ihre Bewohner gewesen ist.

Katastrophenjahr 1689

Dieses 325 Jahre zurückliegende Ereignis war der Pfälzische Erbfolgekrieg von 1688 bis 1697 mit dem verheerenden Pfeddersheimer Stadtbrand von 1689. Angesichts der inzwischen entstandenen deutsch-französischen Freundschaft mit Abschlüssen zahlreicher, lebendiger Städtepartnerschaften - so auch die Partnerschaft Pfeddersheim mit Nolay/Burgund seit bald 50 Jahren - scheint diese einstige Katastrophe aus heutiger Sicht nahezu undenkbar. Die Erinnerung soll keine alten Wunden aufreißen. Es wäre aus historischer Sichtweise jedoch falsch, die Augen vor der Vergangenheit zu verschließen. Dies gilt für alle kriegerischen Auseinandersetzungen, denen die Menschheit endlich ein Ende setzen muss oder der Krieg setzt schließlich der Menschheit ein Ende!

Ursache des Erbfolgekrieges vor 325 Jahren waren ungerechtfertigte Ansprüche des Königs von Frankreich, Ludwigs XIV., auf Gebiete der Kurpfalz, nachdem Kurfürst Karl im Jahre 1685 verstorben war. Eine Schwester Karls, die bekannte Liselotte von der Pfalz, war mit einem Bruder Ludwigs XIV. verheiratet, hatte aber im Heiratsvertrag auf alle von den Eltern herrührenden Nachfolgerechte ausdrücklich verzichtet. Dennoch provozierte Frankreich im Rahmen seiner Expansionspolitik diesen Krieg, der europäische Ausmaße annahm und für die deutschen Lande beiderseits des Ober- und Mittelrheins zur größten Tragödie und planmäßigen Verheerung ausarten sollte. An die 400 Städte und Dörfer, Burgen und Schlösser fielen in diesem Gebiet dem Zerstörungswerk der Franzosen zum Opfer. Dazu zählte auch Pfeddersheim. Am 24. September 1689 legten französische Soldaten in Pfeddersheim Feuer, dem die Gebäude zum überwiegenden Teil zum Opfer fielen. Neben der Kirche und dem Pfarrhaus wurden das markante, bereits aus dem 16. Jahrhundert stammende Rathaus sowie alle Häuser um den Marktplatz zerstört. Ebenso brannten die Obere Mühle in der Ortsmitte und die Untere Mühle nahe der östlichen Stadtmauer völlig nieder. Auch aus den übrigen Stadtvierteln liegen Belege vor, nach denen "Häuser in den französischen Backöfen verbrannt wurden”, wie es in einem alten Dokument heißt. Die Mehrzahl der Familien flüchtete auf die rechte Rheinseite bis weit in den Odenwald.

Exil in Frankfurt/Main

Der Pfeddersheimer Stadtrat floh noch rechtzeitig mit allen Akten nach Frankfurt-Sachsenhausen, wo er bis 1694 seine Sitzungen im Obergeschoss des Wirtshauses "Zum blauen Krug" abhielt. Erst am 13. Juni 1695 fand in Pfeddersheim die erste Ratssitzung nach der Katastrophe statt, nachdem auch die wenigen Überlebenden in die zerstörte Stadt zurückkehrten und provisorisch einen Neuanfang versuchten. Diese Zeit des Exils war von großer Armut geprägt. Zu allem Elend der Zerstörungen kamen in drei aufeinander folgenden Jahren die totale Vernichtung der Ernten durch sehr schlechte Witterung sowie der Ausfall der Weinernten durch Spätfröste in den Frühjahren 1689 und 1691 hinzu. Viele Bürger waren zu Notverkäufen von Äckern und Weinbergen gezwungen, um etwas Geld zum Kauf der spärlichen Lebensmittel zu haben. Albert Cappel, der bekannte Pfeddersheimer Heimat- und Familienforscher, schrieb 1988 in der Weihnachtsausgabe des "Paternusbote", dass nach der "Untertanenliste" Pfeddersheim im Schicksalsjahr 1689 etwa 630 Einwohner hatte. Nach seinen Recherchen haben davon lediglich etwa 150 Personen den Krieg überlebt! Nach langwierigem Wiederaufbau der zerstörten Stadt konnte erst im Jahre 1721 der erste Gottesdienst in der halbwegs aufgebauten Kirche stattfinden. Am 14. August 1721 schrieb der reformierte Pfarrer Johann Jakob Stückrath bei der Taufe des Johann Conrad Verst ins Taufbuch: "Dies ist das erste Kind, so bey dermahligem ersten Gottesdienst in der nahezu 33 Jahre oede gelegenen Kirche getauft wurde." Seit der Zerstörung im Jahr 1689 hatte es also bis zum Jahr 1721 fast 33 Jahre gedauert, bis die Kirche provisorisch zur Gottesdienstnutzung errichtet war. Wie die Pfeddersheimer Kirche etwa um das Jahr 1830 ausgesehen hat, vermittelt das beigefügte Bild die Skizze eines unbekannten Zeichners - die im Wormser Stadtarchiv aufbewahrt ist. Der Kirchturm war mit einem abgeflachten Dach erst halb wieder aufgebaut. Im Jahr 1848 wurde der Turm erhöht und erhielt sein heutiges Aussehen.

Einige Zeit nach dem Erbfolgekrieg, von dem sich Pfeddersheim und seine Bewohner nur sehr langsam erholten, ist ein wichtiges kirchengeschichtliches Ereignis erwähnenswert.

Pfälzische Kirchenteilung

Der Pfälzische Erbfolgekrieg brachte auch eine Veränderung den konfessionellen Verhältnisse mit sich. Die Kurfürsten der Pfalz waren seit Mitte des 16. Jahrhunderts lutherisch geworden und bald danach reformiert. Mit dem Tod von Kurfürst Karl (1685) starb das reformierte Haus Pfalz-Simmern in männlicher Linie aus. Die nachfolgenden Fürsten stammten aus den Häusern Pfalz-Neuburg und Pfalz-Sulzbach, die katholisch geblieben waren. Im Jahr 1705 kam es zur pfälzischen Kirchenteilung, nachdem zuvor alle Konfessionen für gleichberechtigt erklärt worden waren. In der sehr eingehenden "Pfälzischen Religionsdeklaration" vom 21. November 1705 wurden die Formalitäten festgelegt, die hier nicht im Einzelnen dargelegt werden können.

Dies führte in den jeweiligen Gemeinden zu individuellen Regelungen, wer die bisherige Kirche bekam und wer sich ein neues Gotteshaus beschaffen musste. In manchen Orten der Pfalz löste man das Problem dadurch, dass eine Simultankirche eingerichtet wurde. Entweder feierten die Katholiken und Reformierten in derselben Kirche nacheinander ihren Gottesdienst oder man zog bei größeren Kirchen eine Zwischenwand ein, so dass jede Konfession über einen eigenen Kirchenraum verfügen konnte. Von dieser Regelung machte man in Pfeddersheim im Zuge des beschlossenen Simultaneums Gebrauch. Den zahlenmäßig überlegenen Reformierten, die 1822 im Zuge der Kirchenunion mit den Lutheranern zur evangelischen Kirchengemeinde vereinigt wurden, wurde 1705 das westliche Kirchenschiff (noch in Ruinen nieder liegend) und der kleineren katholischen Gemeinde der östliche Chorraum der Kirche zuerkannt. Zunächst hatten sich die Lutheraner im Jahre 1714 ihre eigene Kirche errichtet, die nach wechselvoller Geschichte heute als Evangelisches Gemeindehaus genutzt wird. Erst nach längeren Baumaßnahmen nach der Zerstörung im Jahr 1689 konnten die Kirchenräume der Simultankirche genutzt werden, wie im vorangegangenen Bericht geschildert wurde. Der Kirchturm als Bestandteil der mittelalterlichen Stadtbefestigung verblieb auch nach dieser Kirchenteilung weiterhin im Eigentum der bürgerlichen Gemeinde. Im Kirchturm sind sechs Glocken vereinigt, von denen jeweils zwei der evangelischen und katholischen Gemeinde sowie zwei der städtischen Gemeinde gehören. Die älteste Glocke von 1769 hing ursprünglich in der lutherischen Kirche und wurde später in den Kirchturm der Simultankirche umgehängt. Die übrigen Glocken wurden 1952 und 1953 neu gegossen, nachdem die Vorgängerglocken im 2. Weltkrieg "eingezogen" worden waren.

Allgemeiner Wiederaufbau

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts setzte zunehmend der Wiederaufbau der weithin zerstörten Stadt Pfeddersheim ein. Dabei wurde der Zuzug von "Neubürgern" aus anderen Regionen dadurch unterstützt, dass ihnen für zehn Jahre Steuer- und Abgabefreiheiten eingeräumt wurden, um Anreize zum Neubau von Häusern zu bieten. Das städtische und bürgerliche Leben konsolidierte sich merklich unter dem Schutz der mächtigen Kurpfalz. Als kurpfälzischer Landstadt wurden Pfeddersheim von den Pfalzgrafen wiederholt alte Freiheiten und Privilegien bestätigt. Solche Privilegienbestätigungen liegen noch vor von mehreren kurpfälzischen Landesherren, so unter anderem von Pfalzgraf Karl Philipp aus dem Jahre 1727 und von Pfalzgraf Karl Theodor aus den Jahren 1748 und 1770. Die Würde seiner Erscheinung zeigt das beigefügte Portraitbild. In der Festschrift "1225 Jahre Pfeddersheim" von 1979 heißt es zur kurpfälzischen Regierungszeit unter anderem: "Alte Ordnungen wurden mit neuem Leben erfüllt, alte Gebräuche wurden treulich bewahrt. Von der Genauigkeit der Verwaltung und von dem Umfang der geleisteten Arbeit künden noch heute die umfangreichen Registraturakten im Gemeindearchiv".

Während der französischen Besatzungs- und Regierungszeit von 1798 bis 1815 kam es zu vielen Neuregelungen : Geschworenen- und Friedensgerichte wurden errichtet, ein Gesetz­buch (der "Code Civil" oder auch "Code Napoleon") regelte die allgemeine Gleichheit vor diesem Gesetz , die Ortsstraßen wurden nach den vier Anfangsbuchstaben A, B, C und D gegliedert und erhielten bestimmte Hausnummern. Weitere ordnende Maßnahmen bildeten einen leuchtenden Gegensatz zu den mittelalterlichen Institutionen. Auch für die Bauern kamen gute Zeiten: Die Ackerbauern wurden durch die Befreiung von Grundlasten begünstigt. Ein Großteil der Felder, die bislang als Pachtgut aus den Händen weltlicher und kirchlicher Herrschaften geringe Erträge lieferten, kamen nun in die Hände von freien Eigentümern und wurden von da an besser und ertragreicher bewirtschaftet. Damit stieg der Wohlstand vieler bäuerlicher Familien. Ebenso konnten Gewerbsleute infolge der eingeführten Gewerbefreiheit ihre Tätigkeit frei entwickeln.

Armee- und Kriegsdienste

Andererseits führte die französische Regierung unter Napoleon ab 1802 die Wehrpflicht ein. Danach hatte jeder über 20 Jahre alte und unverheiratete Mann auch im Kantonbereich Pfeddersheim Dienste in der Armee und notfalls auch im Krieg zu leisten. Befreit waren nur Männer, die kleiner als 1,54 Meter, behindert oder krank waren. Ebenso fielen nicht unter die Wehrpflicht der einzige Sohn einer Witwe, der Bruder eines bereits Dienstleistenden sowie Söhne, deren Vater 71 Jahre und älter waren und "sich mit der Hände Arbeit ernährten." Vom Kriegsdienst gänzlich befreit waren Geistliche. Wer dagegen in den "Konskriptionslisten" erfasst war, musste sich an jeweiligen Meldeterminen in der Kantonstadt Pfeddersheim einfinden. Im Kanton Pfeddersheim erfasste die erste Konskription im September 1802 insgesamt 49 junge Männer, von denen allerdings nur 26 zur Musterung erschienen waren. Bei späteren Musterungen stieg die Zahl der Dienstleistenden. So entfielen auf den Kanton Pfeddersheim im Jahre 1810 immerhin 162 junge Männer. Die Aktiven unter ihnen wurden oft dem 16. Linienregiment zugeteilt und kämpften unter Napoleons Fahnen in verlustreichen Feldzügen, die bei aller Bewunderung für Napoleon seine Herrschaft zunehmend in Misskredit brachten. Dennoch waren die Erinnerungen an den großen "Volkskaiser" letztlich unauslöschlich und verklärten sich darüber hinaus mit zunehmendem Zeitabstand von den Feldzügen zu einem regelrechten "Napoleonkult", vor allem bei den aus den Kriegen heimgekehrten Soldaten.

Napoleondenkmal

Darüber, wie viele Rekruten aus dem Kanton Pfeddersheim in den Feldzügen "auf dem Felde der Ehren" ihr Leben lassen mussten, liegen keine genauen Angaben vor. Auch das eigene Urteil der Soldaten über ihr erlittenes Kriegsschicksal ist weitgehend unbekannt. Diejenigen, die nach mehrjährigem Kriegseinsatz in ihre Heimat zurückkehrten, sollen nach zeitgenössischen Aufzeichnungen überzeugte Verehrer Napoleons geblieben sein.

Veteranenvereine mit zahlreichen Mitgliedern errichteten Denkmäler, um die Nachwelt an sich selbst und insbesondere an ihre gefallenen Kameraden zu erinnern. Solche "Denksteine" gab oder gibt es beispielsweise in Alzey, Bechtheim, Flonheim, Pfiffligheim, Westhofen, Wöllstein, Wörrstadt, Worms und nicht zuletzt auch in Pfeddersheim. Hierzu sammelten die Veteranen jahrelang Geldspenden bis die notwendige Summe erreicht war, um die recht teuren, markanten Gedenksteine zu errichten. In Pfeddersheim fand die feierliche Einweihung des "Napoleondenkmals" am 3. Oktober 1847 auf dem alten Friedhof westlich der Kirche statt. Insgesamt 42 Namen von Kriegsteilnehmern aus den Kantonsorten Bermersheim, Dalsheim, Heppenheim, Hohen-Sülzen, Kriegsheim, Oberflörsheim, Offstein, Pfeddersheim und Wachenheim sind auf den Seiten des Denkmals eingraviert. Symbolische Kriegsszenen und -embleme sowie ein weinender Soldat vor den Gräbern seiner Kameraden auf dem Gedenkstein sollen an die tief eingeprägten Erlebnisse und Gefühle der Soldaten unter Napoleon erinnern.

Auf der zur Kirche ausgerichteten Seite trägt das Denkmal die Inschrift: "Denkstein der Veteranen aus dem Kanton Pfeddersheim - Veteranenverein Pfeddersheim“ -. Die in ihre Heimat zurückgekehrten ehemaligen Soldaten Napoleons aus dem Kanton Pfeddersheim weihen ihren auf dem Felde der Ehren gefallenen Kriegskameraden dieses Denkmal. Errichtet unter der Regierung Seiner Königlichen Hoheit Ludwigs II. Großherzogs von Hessen und bei Rhein im Jahre 1847." Bei der feierlichen Einweihung des Denkmals unter großer Beteiligung der Pfeddersheimer Bürger am Sonntag, den 3. Oktober 1847 sangen die Veteranen, unterstützt vom Gesangverein 1845, ihr Fahnenlied:

"Wir haben einst geschworen unsern Fahnen/Mit Herzen fest und treu./

Nun schwören wir als Veteranen/Uns Brudertreu auf's neu./

Nie haben wir auf Ehr verzichtet/Sie ist uns beste Hab./

Drum haben wir errichtet/Dies Denkmal - für Ehre über's Grab."

Die Franzosenzeit im ehemaligen Kanton Pfeddersheim näherte sich nach den Niederlagen von Napoleons Heeren dem Ende entgegen. Vor allem Napoleons Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig (Oktober 1813) führte dazu, dass sein Ruhmesstern niedersank und die verbündeten Heere von Preußen, Russland, denen sich Österreich, England und Schweden anschlossen, die französischen Truppen immer mehr über den Rhein zurückdrängten. In der Neujahrsnacht 1814 ging Blücher mit seinen Truppen bei Kaub über den Rhein, um ins Innere Frankreichs vorzudringen. Im Mai 1814 kam es zum 1. Pariser Frieden, der Frankreich in den Grenzen von 1792 bestehen ließ. Schließlich kam es im Zuge dieser Entwicklung durch den Wiener Kongress (September 1814 bis Juni 1815) zur Neuordnung Europas. Bei dieser Aufgliederung und Festlegung der Landesgrenzen erhielt Ludwig X. von Hessen als Großherzog Ludwig I. zum Ausgleich für abgetretenes Gebiet im westfälischen Raum die hiesige Region mit Teilgebieten des Departement Donnersberg zuerkannt, wozu auch Pfeddersheim gehörte.

Bei Hessen-Darmstadt

Der linksrheinische Landgewinn Hessens bestand aus dem Kreis Mainz, großen Teilen aus dem Kreis Alzey sowie aus Worms und Pfeddersheim, die damals zum Kreis Speyer gehörten. Am 8. Juli 1816 nahm Großherzog Ludwig I. durch eine Urkunde seine neue Provinz in Besitz, der sich in dieser Urkunde "Großherzog von Hessen und bei Rhein" nannte, womit er gleichsam Pate für den Namen des neuen hessischen Gebietes "Rheinhessen" wurde. Dies war die Geburtsstunde von Rheinhessen. Zunächst nannte sich dieser dem Land Hessen zuerkannte Raum "Großherzoglich Hessischer Landesteil", erst im Jahre 1818 wurde er offiziell umbenannt in "Großherzoglich Hessische Provinz Rheinhessen." Der feierliche Akt der Verwaltungsübergabe von Worms auf das Großherzogtum Hessen erfolgte am 15. Juli 1816 in der Wormser Dreifaltigkeitskirche, nachdem der gleiche Übergabeakt zuvor am 12. Juli 1816 in Mainz stattgefunden hatte. Noch im gleichen Jahr erhielt Rheinhessen eine eigene Provinzialregierung mit dem Sitz in Mainz. Durch eine Verordnung vom 11. August 1818 wurde der bis dahin geltende "Departementalrat" unter dem neuen Titel "Provinzialrat" eingeführt, dem neben anderen Bürgermeistern rheinhessischer Städte und Gemeinden auch der amtierende Oberbürgermeister Karl Horthal von Pfeddersheim angehörte. Nachdem Hessen und damit auch der rheinhessische Teil ab 1820 eine Verfassung erhalten hatte, wurde den rheinhessischen Gemeinden im Jahre 1821 durch die Hessische Gemeindeordnung das Recht der Selbstverwaltung verliehen. Im Jahre 1833 wurden als Zwischeninstanzen die Kreisämter eingeführt.

Straßenbauprogramme

Großherzog Ludwig I. hatte in seiner "Besitzergreifungsurkunde" unter anderem feierlich versichert, dass die "neuen Untertanen in Unserer Landesväterlichen Huld und Gunst ruhen, und dass Wir der Beförderung ihrer Wohlfahrt Unsere unermüdliche Sorgfalt widmen werden." So regelte er unter anderem in den 1820er Jahren gesetzlich den Straßenbau im südlichen Rheinhessen, nachdem er bei seinen Bereisungen den desolaten Straßenzustand kennen gelernt hatte. Neben anderen Straßen im Raume Mainz wurden auch die im sehr schlechten Zustand befindlichen Straßen in unserer Region stabil ausgebaut und "chaussiert": Im Jahr 1827 wurde die Provinzialstraße von Pfeddersheim über Monsheim und Wachenheim bis an die bayerische Grenze in Länge von 3427 Klaftern (umgerechnet = 8,57 Kilometern) ausgebaut. Anno 1828 folgte der Straßenbau von Alzey nach Worms über Pfeddersheim in Länge von 11.633 Klaftern (= 29,1 Kilometern). Heute erinnern noch einige erhaltene “Straßen-Begleitsteine" als stumme Zeugen der "Großherzoglichen Wohlfahrt" an den damaligen Straßenbau, so beispielsweise der Straßenstein von 1828 westlich von Pfeddersheim in Richtung Monsheim an der Abzweigung nach Hohen-Sülzen.

Wirtschaftliche Aktionen

In jener Zeit bemühten sich die Pfeddersheimer Stadtväter um verstärkten Wohnungsbau und den Abbau der Schuldenlast. Sie entschlossen sich 1818 zum Verkauf des nördlichen Stadtgrabens, den die Anwohner in Hausgärten umwandelten. Ihnen wurde gestattet, neue Wohnhäuser an die Stadtmauer anzubauen. Ein Großteil des "Allmendfeldes" - also des Gemeindelandes - wurde ebenfalls verkauft, um die städtische Haushaltslage zu verbessern. Durch den Abriss der drei Stadttore zwischen 1820 und 1835 konnte innerörtlich Platz für Wohnräume geschaffen werden. Andererseits fehlten vielen jüngeren Bürgern Arbeitsstätten und Erwerbsquellen, was dazu führte, dass diese auswanderten, wie bereits rund 100 Jahre vorher. Das so genannte "Amerikafieber" erfasste vor allem tüchtige Mitbürger, darunter selbst alteingesessene Familien, die hofften, in der "Neuen Welt" zu Wohlstand zu gelangen. In späteren Jahren kam es in Pfeddersheim durch den Bau der Eisenbahnlinie (1863-1867), die Gründungen der Konservenfabrik Braun AG (1871) und der Firma Enzinger (1879) zu einem wirtschaftlichen Aufschwung.             

Nachdem Pfeddersheim im Jahre 1816 zum Großherzogtum Hessen-Darmstadt gekommen war, blieb es noch 58 Jahre eine Stadt im herkömmlichen Sinne. Es trat allerdings insoweit eine Änderung ein, als von diesem Zeitpunkt an in rechtlicher und verwaltungsmäßiger Hinsicht im Territorium von Hessen-Darmstadt keine begriffliche Unterscheidung mehr zwischen Stadt und Dorf gemacht wurde. Alle Siedlungen hießen von nun an Gemeinden. Die bisherigen Ortsvertretungen nannten sich überall Gemeinderat. Diese Neuregelung galt für Worms, Oppenheim und Alzey ebenso wie für Pfeddersheim. Gleichwohl gab es Unterscheidungsmerkmale zwischen Stadt und Dorf im herkömmlichen Sinne. So wurden beispielsweise die Oberhäupter der Gemeinden Worms und Pfeddersheim sowohl von der Regierung als auch von der Bevölkerung und von Behörden mit "Oberbürgermeister" angeredet, während in den Dörfern das Oberhaupt mit "Bürgermeister" bezeichnet wurde. Zu dieser Zeit war in Pfeddersheim Karl Horthal der amtierende Oberbürgermeister.

Pfeddersheim wird Dorf

Ein für die Pfeddersheimer Ortsgeschichte bemerkenswertes Datum war der 13. Juni 1874: An diesem Tag erging unter Großherzog Ludwig III. (ssihe Bild) das "Gesetz betreffend die Städteordnung für das Großherzogtum Hessen". Durch dieses Gesetz erfolgte eine Trennung der Orte auch wieder begrifflich in Städte und Dorfgemeinden. Die Grenze zwischen beiden wurde durch die Einwohnerzahl gezogen. Dadurch blieb Worms selbstverständlich als Stadt erhalten, während Pfeddersheim zum Dorf abgestuft wurde, weil die für eine Stadt vorgeschriebene Mindesteinwohnerzahl von 3.000 nicht erreicht wurde. Daran änderten auch die späteren großherzoglichen Städteordnungen von 1911 und 1931 nichts. Aber die selbstbewussten Pfeddersheimer nahmen die Abstufung zum Dorf nicht besonders wichtig oder überhaupt nicht zur Kenntnis. So wählten sie bei der Errichtung des Kriegerdenkmals 1870/71 in der Allee im Jahr 1894 - also 20 Jahre nach der gültigen Städteordnung - auf der Frontseite des Denkmals die Formulierung auf der Gedenkplatte: "Die Stadt Pfeddersheim ihren tapferen Söhnen 1870/71." Und ebenso lautet die Gedenkplatte beim Denkmal der Gefallenen und Vermissten des 1. Weltkriegs auf dem alten Friedhof am Cästrich, welches 1921 errichtet wurde: "Ihren im Weltkrieg 1914 - 1918 gefallenen Söhnen gewidmet von der dankbaren Stadt Pfeddersheim."

Wirtschaftlicher Aufschwung

Pfeddersheim erlebte als "Dorf" nach 1874 einen allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung: Die Konservenfabrik Braun und die Maschinenfabrik Enzinger-Union entwickelten sich zu bedeutenden Industrieunternehmen, wo nicht nur viele Pfeddersheimer, sondern auch von außerhalb kommende Arbeitskräfte gute Verdienstmöglichkeiten fanden. Dadurch stieg auch die Einwohnerzahl deutlich an, womit ebenfalls eine Zunahme der Schulkinder verbunden war: So wurden in den Jahren von 1890 bis 1900 jährlich zwischen 80 und 90 "Erstklässler" eingeschult, mit der Folge, dass der vorhandene Schulraum in der im Jahre 1831 auf dem Kirchenvorplatz eingerichteten christlichen Gemeindeschule nicht mehr ausreichte. Deshalb wurde 1893 der erste, östliche Teil der so genannten "Bergschule" am heutigen Heinrich-Schmitt-Platz errichtet und 1906 folgte der westliche Anbau sowie 1907 die rückwärtige "Reitschule". In den Schulen wurde 1925/26 Zentralheizung angelegt und außerdem ein Volksbad eingerichtet, welches aus 3 Wannen- und 6 Brausebädern bestand.

Auch die Errichtung des Großherzoglichen Amtsgerichts anno 1896/97 gegenüber vom Bahnhof mit dem Zuständigkeitsbereich für 24 benachbarte Gemeinden aus dem ehemaligen Kanton Pfeddersheim mit zwei Richtern und bis zu 50 Mitarbeitern führte zu regen Bautätigkeiten im Umfeld. Beispielsweise auch zur Einrichtung von Gastwirtschaften mit den fast vergessenen Namen "Zum Alten Kaiser", "Zur Germania", "Zur Sonne" und "Zum Bahnhof", die den Beschäftigten und vor allem auch den Recht suchenden Bürgern aus den benachbarten Orten ihre gastronomischen Dienste anboten. Im Amtsgericht wurden auch zwei Notariate eingerichtet, die es zwar auch schon lange vorher in Pfeddersheim gegeben hatte, die aber nun in den großzügigen Räumlichkeiten bessere Entwicklungsmöglichkeiten hatten. Nicht zuletzt durch den Bahnanschluss mit dem Bau des Bahnhofgebäudes nahmen auch die Besucherzahlen in Pfeddersheim deutlich zu. In der 1363 Hektar großen Gemarkung entfielen damals knapp 64 Hektar auf Rebflächen, davon rund 90 Prozent auf Weißweine und 10 Prozent auf Rotweine. Der Rebsorte Riesling, die schon in einer Urkunde von 1511 erstmals erwähnt ist, galt eine besondere Bedeutung.

Pfeddersheim erlebte am Ende des 19. Jahrhunderts trotz der Abstufung zum Dorf einen allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung. Dieser hielt auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts weiter an, wobei es nicht zuletzt auch zu vielen Neubauten von Wohnhäusern kam, vor allem für Werksangehörige der Enzinger-Union-Werke und der Konservenfabrik Braun.

Gemeinnützige Baugenossenschaft

So hatte sich im Jahre 1907 die "Gemeinnützige Baugenossenschaft zu Pfeddersheim" gebildet, die das Ziel verfolgte, vor allem am "Kriegsheimerweg" (heute Enzingerstraße) und an der Frankenthaler Straße Werkswohnungen zu errichten. Zum 1. April 1911 konnten drei Doppelhäuser am Kriegsheimerweg und ein weiteres Doppelhaus in der Frankenthaler Straße bezogen werden. Dem Vorstand dieser Baugenossenschaft gehörten Fabrikdirektor Emil Hoffmann als Vorsitzender, Johann Neufeld als Rechner und Kaufmann Wenzel Watzke als Schriftführer an. Aufsichtsratsmitglieder waren Fabrikdirektor Josef Braun (1. Vorsitzender), Ingenieur Felix Grimmer (2. Vorsitzender), Johann Roß II. (1. Schriftführer), Schlossermeister Georg Kleeberger (2. Schriftführer) und außerdem die Beisitzer Dreschmaschinenbesitzer Johann Klein, Bildhauer Jakob Schlink sowie Schlosser Christian Thumm. Aus dem Geschäftsbericht dieser Baugenossenschaft vom Dezember 1911 geht hervor, dass zu diesem Zeitpunkt die Genossenschaft 34 Mitglieder hatte, von denen 20 dem Arbeiter- und Beamtenstand und 14 anderen Berufsständen angehörten. Auch weitere Wohnbauentwicklungen über die alten Grenzen des Pfeddersheimer historischen Ortskerns hinaus brachten zunehmende Bevölkerungszahlen: Während Pfeddersheim innerhalb der alten Stadtmauer um das Jahr 1800 lediglich etwa 1500 Einwohner hatte, stieg diese Zahl in der Folgezeit immer mehr an. Im Jahre 1900 hatte sich Pfeddersheim inzwischen auf 2875 Einwohner vergrößert und die Einwohnerzahl betrug genau 3494 im Jahr 1939.

Schicksalsschläge

Allgemeine Rückschläge der wirtschaftlichen Entwicklung brachten die Kriegsjahre 1914-1918 und die 1920er Jahre während der Weimarer Republik (1919-1933). Im 1. Weltkrieg mussten 75 Pfeddersheimer Mitbürger als Soldaten "auf dem Feld der Ehren" ihr Leben lassen. Die spätere Inflation von 1921/23 führte zu einer tiefen wirtschaftlichen Depression mit hoher Arbeitslosigkeit. Viele Pfeddersheimer wurden für bittere Jahre arbeitslos, und Not sowie Bedrückung kehrten in die Familien ein. Die Arbeitslosen mussten sich regelmäßig auf dem Bürgermeisteramt melden und mussten "stempeln gehen", wie man es damals nannte. An solchen Tagen war der Schlossplatz vor dem Rathaus voller Menschen, die warteten, diskutierten und politisierten.

Die Verantwortlichen, das zersplitterte Weimarer Parlament und die wechselnden Regierungen, konnten der vielen Schwierigkeiten nicht Herr werden, und bei den Siegermächten begriff man nicht, wohin wegen der drückenden Reparationslast der politische Weg in Deutschland führen könnte. Der Boden für die Entwicklung des Nationalsozialismus wurde zunehmend bereitet. Es folgte eine Radikalisierung der Meinungen und des öffentlichen Lebens, die schließlich zur Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 führte. Der Pfeddersheimer Zeitzeuge Albert Cappel - langjähriger Heimat- und Familienforscher - beschrieb in seinem Festbeitrag zum 100jährigen Bestehen der "Turn- und Sportgemeinde von 1886 e.V. Pfeddersheim" im Juni 1986 die 1930er Jahre wie folgt: "Die Entwicklung, an deren Ende 1945 der katastrophale Untergang des Deutschen Reiches stand, gab jedoch jenen recht, die - wenn auch im Untergrund - Widerstand leisteten. Auch in Pfeddersheim gab es viele Gegner des Nationalsozialismus. Sie zeigten sich vor 1933 öffentlich bei politischen Auseinandersetzungen, in handgreiflichen Schlägereien auf Straßen und in Lokalen, oder indem Wagemutige ein an der Außenwand eines Hauses in Höhe des zweiten Stockwerkes angebrachtes Hakenkreuz nachts abhängten. Nach 1933 geschah Widerstand meist nur heimlich in Form von Zuwendungen an Verfolgte oder an unterdrückte jüdische Familien. Er war aber, wie überall, zu gering, um politische Wirkung zu erzielen."

Den Tribut, den Pfeddersheim im 2. Weltkrieg "zahlen" musste, waren 235 gefallene und vermisste Soldaten, deren Gedenkstätte auf dem Friedhof an der Leiselheimer Straße für immer ein Mahnmal bleiben sollte. Im Festbuch zur 1200 Jahrfeier im Jahre 1954 heißt es am Ende des historischen Kapitels über Pfeddersheim: "Die Friedensglocken des Jahres 1945 senkten in die Herzen der Menschen das Gefühl der Wehmut, aber auch ein Aufatmen ging durch sie und ein Hoffen auf eine bessere und friedliche Zukunft. Wie viele Menschen mögen die Einwohner des mehr als 1200jährigen Pfeddersheims nicht schon von den gleichen Gefühlen bewegt worden sein?"

Am 16. November 1952 wurden die beiden neuen Glocken der Kommunalgemeinde Pfeddersheim im Kirchturm feierlich eingeweiht, die die Inschrift tragen: "Den Opfern beider Weltkriege zum Gedächtnis" und "Friede sei stets dein Geläut."

Nach dem 2. Weltkrieg kam im Rahmen der Neugliederung der Bundesländer ganz Rheinhessen und damit auch Pfeddersheim vom ehemaligen Volksstaat Hessen zum neu gebildeten Bundesland Rheinland-Pfalz, welches am 30. August 1946 durch Verordnung der französischen Militärregierung angeordnet wurde. Bei einem späteren Volksbegehren (1956) sprach sich die Mehrheit dafür aus, bei Rheinland-Pfalz zu verbleiben und nicht nach Hessen zurückzukehren. Es entwickelte sich nach recht schwierigen Nachkriegsjahren allmählich ein reges wirtschaftliches und kulturelles Leben. In Pfeddersheim entstanden an den Ortsrändern neue Wohngebiete, eine moderne Schule und andere infrastrukturelle Verbesserungen wie beispielsweise die Kanalisation förderten die Ortsentwicklung. Durch die Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten fanden viele Familien aus Schlesien, Pommern, Ostpreußen, dem Sudetenland und anderen Regionen hier eine neue Heimat. Zu den alten Familiennamen, die zum Teil schon seit mehr als 300 Jahren hier existierten, kamen neue hinzu, deren Träger sich zum großen Teil mit Einheimischen familiär verbunden und in örtlichen Vereinen sowie Organisationen integriert haben. Schließlich gehörten Soldaten der Bundeswehr zum Bild von Pfeddersheim.

Pfeddersheim wird wieder Stadt

Im Zuge dieser Entwicklung erlebte Pfeddersheim ein Großereignis: Die Leistungen der Gemeinde und seiner Bewohner sowie die bedeutende geschichtliche Tradition veranlassten die Landesregierung von Rheinland-Pfalz, Pfeddersheim anlässlich seiner 1200-Jahrfeier wieder die Stadtrechte zu verleihen. Ein glanzvoller Verlauf der Feierlichkeiten vom 22. bis 24. Mai 1954, an denen namhafte Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft sowie Gesellschaft und die gesamte Bürgerschaft teilnahmen, markierte sowohl das 1200-jährige Ortsjubiläum als auch die Stadtrechtsverleihung vor 650 Jahren. Vor dem Rathaus erwies der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Peter Altmeier in Anwesenheit unübersehbarer Festteilnehmer aus nah und fern der alten und nunmehr jüngsten Stadt des Landes Rheinland-Pfalz seine Reverenz und verlieh in einem Staatsakt Pfeddersheim wieder die Stadtrechte.

In seiner Festrede führte er unter anderem aus: "Wer die Geschichte unseres mittelrheinischen Raumes kennt, der weiß, welche Bedeutung Pfeddersheim im ausgehenden Mittelalter und noch bis in die Neuzeit hinein erlangt hat. Erst durch die Hessische Gemeindeordnung von 1874 verlor es aus formalen Gründen den Rechtscharakter einer Stadt. Der Tatkraft und dem Gemeinsinn, der Strebsamkeit und dem Aufbauwillen seiner Bürger ist es aber zu verdanken, dass die Gemeinde heute wieder zu einem kulturellen und wirtschaftlichen Mittelpunkt im rheinhessischen Gebiet emporgestiegen ist. Es ist mir deshalb eine besondere Genugtuung, dass die Landesregierung von Rheinland-Pfalz ihre hohe Anerkennung für die geschichtlichen wie auch für die heutigen Leistungen dieses Gemeinwesens durch die Wiederverleihung der Stadtrechte bekunden darf." Im gleichen Sinne gratulierten der damalige Regierungspräsident von Rheinhessen, Dr. Georg Rückert, und der Landrat des Kreises Worms, Georg Schick, den Pfeddersheimern und beide wünschten eine glückliche und dauerhafte Weiterentwicklung in der Zukunft der "jungen Stadt Pfeddersheim"! Es war zugleich die große Stunde von Bürgermeister Heinrich Schmitt (siehe Foto), der von 1946 bis 1965 die Geschicke von Pfeddersheim in seinen Händen hatte und wegen seiner großen Verdienste zum Ehrenbürger ernannt wurde.

Eingemeindung nach Worms

Auf Grund der großen Worte und Ehrerweisungen hoher Repräsentanten der Politik hätte man annehmen können, dass der Stadt Pfeddersheim eine lange Zukunft beschieden sei. Doch bereits nach 15 Jahren zeigte sich die nicht selten festzustellende Kurzlebigkeit und zeitlich eingeengte Geltungsdauer von politischen Aussagen! Denn am 10. April 1969 erging das "Sechste Landesgesetz über die Verwaltungsvereinfachung im Lande Rheinland-Pfalz", welches am 7. Juni 1969 in Kraft trat. Davon wurde unter anderen auch die Stadt Pfeddersheim betroffen, indem im Paragrafen 2 dieses Gesetzes kurz und lapidar bestimmt wurde: "Die Gemeinde Pfeddersheim wird aufgelöst. Das Gebiet der aufgelösten Gemeinde wird in das Gebiet der Stadt Worms eingegliedert. Rechtsnachfolger der aufgelösten Gemeinde ist die Stadt Worms." Die dagegen eingelegte Klage - vertreten durch Bürgermeister Willi Löv mit namhaften Rechtsanwälten - wurde vom Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 22. Dezember 1969 (VGH 40/69) mit der Begründung abgewiesen, dass das Gesetz zur Verwaltungsvereinfachung der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz nicht widerspreche und demnach die Eingemeindung von Pfeddersheim nach Worms rechtmäßig sei.

So wurde die einst Freie Reichsstadt Pfeddersheim über Höhen und durch Tiefen ihrer Geschichte vor inzwischen 46 Jahren zum Stadtteil von Worms.

Felix Zillien (2015)

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